Gebet

Gebet
   geschieht, wenn ein Mensch sich auf die Tiefendimension u. Transzendenz seiner selbst einläßt, darin wahrnimmt, daß er ganz u. umfassend angesprochen ist, dieses Angesprochensein antwortend bejaht u. sich so in seinem ganzen Dasein auch subjektiv betroffen sein läßt von dem unausweichlichen, göttlichen, personalen Geheimnis. Über den so umschriebenen dialogischen Charakter des Betens, der sprachliche Textformulierungen enthält, über den ”inneren Herzensverkehr mit Gott“ (F. Heiler †1967) hinaus, besteht heute in religionswissenschaftlicher u. theol. Sicht weitgehende Übereinstimmung. Das G. in Israel ist wie auch das spätere G. der Kirche sowohl individuell als auch kollektiv geprägt. Es äußert sich als Bittgebet, als Dank, als Lobpreis (Doxologie) u. Anbetung, als Schuldbekenntnis mit Bitte um Vergebung, als Klage. Alle Ebenen des individuellen Daseins u. alle Existenzprobleme des Eigentumsvolkes Gottes werden in völligem Vertrauen auf Gott vor ihm ausgebreitet. So setzt die Existenz der mannigfaltigen Gebete den festen Glauben voraus, daß Gott auch den banalsten Einzelheiten des Lebens liebendes Interesse entgegenbringt. Bestimmte Tage im Jahreszyklus u. Tagzeiten zeigen, daß das G. den Sinn hat, Gott als stets gegenwärtigen (der nicht erst um sein Kommen angerufen werden muß) wahrzunehmen. Die leib-seelische u. gemeinschaftliche Verfaßtheit des Menschen kommt in begleitenden Gesten u. in der betenden Kultgemeinschaft zum Ausdruck. Alle diese Eigentümlichkeiten des Gebets prägen auch die das G. betreffenden Texte des NT. Der Jude Jesus betete auf jüdische Weise (Synagogengottesdienste; Psalmen; in Stille u. Sammlung zurückgezogen; aufschreiend u. klagend). Seine Gottesanrede Vater “ ist in Israel geläufig. Besonders hervorzuheben sind die Gebetsunterweisung an den Jüngerkreis (Lk 11, 1–13) u. die Kritik an einem demonstrativ-äußerlichen Gebetsverhalten (Mt 6, 5–8). Ein eigenes exegetisches u. theol. Problem stellt die Frage dar, von wann an sich die frühchristlichen Gemeinden im G. auch an Jesus gewandt haben. Das Judentum u. der Islam halten am mehrmaligen täglichen G. u. am gemeinschaftlichen G. der Gläubigen fest. – Schon von der Kirchenväterzeit an bis heute kreist das theol. Nachdenken um die (durch Nichterhörung widerlegte) Zusage sicherer Erhörung (Lk 11, 9 f. par.). Die oft bestehenden Schwierigkeiten, sich im G. auf Gott einzulassen u. sich vor ihm auszusprechen, begegnen der biblischen Ermutigung, daß der Heilige Geist Gottes das Beten lehrt u. dort betend eintritt, wo menschlicheWorte fehlen (Röm 8, 26 f.). Auch wenn vielfältige Lebenserfahrungen tiefe Zweifel am Bittgebet hervorrufen, bleibt das G. aus vielen Gründen sinnvoll: Es lehrt, die Mitmenschen mit ihren Sorgen u. Freuden wahrzunehmen, den Blick auf die Menschheitsprobleme auszuweiten, sich selber immer besser kennenzulernen u. seine innersten Wünsche, Bedürfnisse, Ängste,Motive zu ”verbalisieren “, das Leben zu ”ordnen“, sich zur Regelmäßigkeit u. damit zur Zuverlässigkeit anzuhalten, zur Ruhe zu kommen, Verdrossenheit u. Unlust zu überwinden. Von großer Bedeutung für die Wahrnehmung Gottes im Freundeskreis u. bei der nachwachsenden Generation ist der immer neue Versuch zu gemeinschaftlichem, nicht nur vorformuliertem, sondern frei gesprochenem G. (Hauskirche). Er ist auch beiMenschen notwendig, die sich in den lebens- u. erfahrungsfremden, ”verobjektivierten“, einen ästhetisierten, ”gebildeten“ Lebensstil voraussetzenden liturgischen Gebeten nicht zurechtfinden.

Neues Theologisches Wörterbuch. . 2012.

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  • Gebet — ist der Ausdruck frommer Gefühle, welche durch die Richtung des Gemüthes auf die Gottheit hin in der Seele erzeugt worden sind. Hat der Herr aus dem Füllhorn seiner Gnade reichen Segen geschüttet, da regt sich ein beseligendes Gefühl in der Brust …   Damen Conversations Lexikon

  • Gebet — Sn std. (8. Jh.), mhd. gebet, ahd. gibet, as. gibed Stammwort. Aus wg. * ga beda n. Gebet , auch in ae. gebed. Das Wort ist eine Ableitung zu bitten und muß ursprünglich eine entsprechende Bedeutung gehabt haben ( Bitte o.ä. ). Dann Gebrauch für… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Gebet — Gebet: Das westgerm. Substantiv mhd. gebet, ahd. gibet, niederl. gebed, aengl. gebed (beachte engl. bead »Perle am Rosenkranz«) ist eine Bildung zu dem unter ↑ bitten behandelten Verb. Im heutigen Sprachgefühl wird »Gebet« als zu »beten« gehörig… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Gebet [2] — Gebet, ruhendes, schweigendes, ein in den Schriften der Mystiker oft genanntes Gebet, wo sich die Seele zu Gott erhebt u. in eine unmittelbare Gemeinschaft mit ihm tritt, u. wobei der Betende unter dem Einflusse Gottes steht. Es entstand aus den… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Gebet — [Aufbauwortschatz (Rating 1500 3200)] Bsp.: • Sie sprach ein Gebet …   Deutsch Wörterbuch

  • Gebet [1] — Gebet, 1) im weitern Sinne die mit Ernst, Andacht u. wirklicher Bewegung des Gemüths verbundene Erhebung der Gedanken zu einem höhern Wesen, u. im engern Sinne 2) die aus dieser Stimmung hervorgehende Anrede od. Anrufung des höchsten Wesens. Man… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Gebēt — (von beten, d. h. ursprünglich bitten) ist eigentlich die Bitte, womit man sich an göttliche Wesen wendet; dann im weitern Sinne jede Anrufung (Anbetung) der Gottheit, verwandt mit Andacht (s.d.). Das G. ist die erste, natürlichste Äußerung der… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Gebet — Gebet, fromme Erhebung zu Gott in Form der Anrede, als Bitt , Lob , Dankgebet und Fürbitte. Ausfluß des Bewußtseins des Menschen von seiner Abhängigkeit; Jesus gab im Vaterunser (s.d.) ein Mustergebet. Das G. an Engel und Heilige unterscheidet… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Gebet — Gebet, lat. precatio, frz. prière, engl. prayer, nennt man die Erhebung des Gemüthes zu Gott, um Ihn zu loben od. Ihm zu danken oder von Ihm eine Gnade zu erflehen, daher die Unterscheidung von Lob , Dank und Bittgebet. Letzteres wird besonders… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Gebet — Hora, ↑Oration …   Das große Fremdwörterbuch

  • Gebet — 1. Andächtig gebett vnd weise räth können vil verhindern. – Lehmann, 601, 120. 2. Das gebet, das wort vnd der glaub seindt der Kirchen waffen. (S. 52.) – Henisch, 1387, 39. Die Geschichte zeigt, dass sie auch Polizei und Bajonnete nicht… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

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